30 september 2012

Ragnar Thoursie, ein Autor wider seinen Willen

Ragnar Thoursie wurde am 30. September 1919 als Sohn des Lokführers Johan Algot Thoursie und seiner Frau Signe in Katrineholm geboren und starb am 12. Juli 2010 in Nacka. Ragnar wurde streng im Glauben der Zeugen Jehovas erzogen, was auch bedeutete, dass Literatur für den jungen Ragnar Thoursie kaum greifbar war, da die Wahrheit nur in der Bibel zu finden war und Gedichte oder Belletristik im Elternhaus als etwas Negatives betrachtet wurden.

Nach der Hochschulreife, die er über eine externe Prüfung erlangte, studierte Ragnar Thoursie Deutsch, Psychologie und Religionsgeschichte an der Universität Stockholm, was jedoch nur relativ wenig mit seinem zukünftigen Arbeitsplatz zu tun hatte, da Thoursie ab 1945 bei der Reichsversicherungsanstalt zu arbeiten begann, eine Arbeitsstelle, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1985 behielt, da er, trotz seiner Erfolge, die Literatur als Freizeitvergnügen sah und nie hauptberuflich als Schriftsteller arbeiten wollte.


Im gleichen Jahr, als er seine Arbeitsstelle antrat, erschien auch das erste Werk Ragnar Thoursies, das den Titel Emaljögat trug und der erste Schritt dazu war, dass er zum Repräsentant der Literatur der 40er Jahre wurde und selbst Tomas Tranströmer beeinflusste. Kaum jemanden gelang eine so große Leistung mit so wenig Werken, denn Ragnar Thoursie veröffentlichte zwischen 1945 und 1952 nur drei Gedichtbände, bevor er eine schriftstellerische Pause bis zum Jahr 1987 einlegte.

Ragnar Thoursie gelang es durch seine bildliche Art zu schreiben und die graphische Art der Zusammensetzung der Sätze, was bisweilen darauf zurückgeführt wird, dass Thoursie eigentlich Zeichner werden wollte, im Jahre 1952 den Literaturpreis der Tageszeitung Svenska Dagbladet zu erhalten und Olof Palme so zu beeindrucken, dass dieser in mehreren seiner politischen Reden ein Gedicht des Poeten, Sundbybergsprologen, zitierte.

Erst 1989 kam wieder dann ein Gedichtband von Ragnar Thoursie auf den Markt. Dieses Mal nennt er den Band Kråkorna skrattar. Thoursie behält bei diesem Werk zwar seine Bildsprache, aber die Art des Schreibens hat sich verändert und wird persönlicher, wobei der Autor hier auch erstmals das „Ich“ verwendet. Aber Ragnar Thoursie verlässt nun auch den reinen Weg der Poesie und veröffentlicht auch Prosa, so den autobiografischen Roman Ditt ord är ljus im Jahre 2001, Elefantsjukan im Jahre 2003, wobei er bei diesem Werk über seine Zeit am Schreibtisch erzählt, und Igelkottsfrid, eine Autobiografie mit der er die Schriftstellerei als für beendet betrachtet. Für diese späten Werke wird Ragnar Thoursie mit dem königlichen Preis der Svenska Akademien ausgezeichnet.

Aber Ragnar Thoursie überrascht die literarische Welt Schweden erneut, denn 2009 erschient noch sein Buch Sånger från äldreomsorgen, ein Mischung aus Gedichten, Aufzeichnungen und kurzer Prosa, die er im Altersheim schreibt wo er mittlerweile lebt. Das Buch ist sachlicher als seine anderen Werke und Thoursie scheint verbittert über die Wege der Sozialdemokraten zu sein, deren Wege er als ideal ansah. So taucht bei ihm die Frage auf wohin das schwedischen Folkhemmet verschwunden ist, das er selbst mit aufgebaut hatte.

Bereits 2007 hatte Ragnar Thoursie sein gesamtes Forschungsmaterial, seine Briefe, seine Manuskripte und anderes mehr der Universität Växjö geschenkt, die dadurch über ein bedeutendes Archiv über den Schriftsteller verfügt, wo auch Material eingeht, das nie veröffentlicht wurde und die Wege zur Gedankenwelt Thoursies erfasst werden können.

Ragnar Thoursie sprach nie über seine Familie, da er zeit seines Lebens klar zwischen Literatur, Arbeitswelt und Privatwelt trennte. Deshalb weiß man nicht, warum seine Ehe nur 18 Jahre hielt und warum sich seine drei Kinder kaum noch für ihn interessierten als er ins Altersheim musste, wo er mit 90 Jahren vereinsamt starb.

Copyright: Herbert Kårlin

29 september 2012

Per Hallström, der Schriftsteller der nordischen Schwermut

Per Hallström wurde am 29. September 1866 als Sohn des Kassierers Conrad Hallström und Johanna Andersson in Stockholm geboren und starb am 18. Februar 1960 in Nacka. 1895 heiratete der Schriftsteller Helga Åkerberg die allerdings bereits elf Jahre vor ihm starb. 1908 wurde Per Hallström in die Svenska Akademien gewählt, wo er Carl Rupert Nyblom auf dem Stuhl Nummer 14 ersetzte.

Aus der Kindheit von Per Hallström ist wenig bekannt, außer der Tatsache, dass sich seine Eltern erste verheirateten als ihre fünf Kinder bereits erwachsen waren. Da dies in jener Zeit sehr ungewöhnlich war, empfand dies Per Hallström nahezu als eine Schande, da er dadurch nicht wie die anderen Kinder war.


Nachdem Per Hallström im Jahre 1883 die Hochschulreife abgelegt hatte, studierte er an der Technischen Hochschule in Stockholm Ingenieurwissenschaft und begann nach dem dreijährigen Studium in den USA zu arbeiten. Zurück in Schweden arbeitete er dann von 1891 bis 1897 als Angestellter in der Zentrale des Telegraphenamtes. Erst in diesen Jahren begann sich Per Hallström dann der Literatur zuzuwenden, wobei er noch 1891 mit seinem Gedichtband Lyrik und fantasier an die Öffentlichkeit trat, und von den Kritikern einheitlich zerrissen oder gar nicht erst beachtet wurde.

Nach dieser bitteren Erfahrung begann Per Hallström vor allem für verschiedene Kalender zu arbeiten und, was noch wichtiger war, er wandte sich der Prosa zu. Seine Novellensammlung Vilsa fåglar aus dem Jahre 1894, die bisweilen als die beste Schilderung des Norrlands des 19. Jahrhunderts betrachtet wird, wurde allerdings von seinem Verleger Bonniers abgelehnt, auch wenn es sich dabei um eines seiner besten Bücher handelt. Dies verhalf allerdings Wahlström & Widstrand dazu den ersten nicht-lyrischen Bestseller herauszugeben.

In den Folgejahren schrieb Per Hallström zahlreiche Romane, Novellensammlungen und übersetzte Shakespeare, wobei man bei der Lektüre seiner Werke feststellt, dass seine Stärke Novellen waren, was sich insbesondere darin ausdrückt, dass Hallström bei langen Handlungen den Faden verliert und man sich als Leser ab einem bestimmten Moment in mehren Welten gleichzeitig bewegen muss. Per Hallströms letztes Werk erschien 1952 und war eine Sammlung von früheren Essays, die letzte Novellensammlung war bereits 1928 auf den Markt gekommen.

Dass Per Hallström bereits in den 30er Jahren kaum noch schrieb, kann darauf zurückzuführen sein, dass er dem Druck nicht gewachsen war, denn 1916 und 1919 wollte ihm die Svenska Akademien selbst den Literaturpreis verleihen, da sie seine schriftstellerische Leistung als so überragend sahen, eine Meinung, die die Kritik kaum teilte, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen.

Per Hallström nahm seine Stoffe nicht aus einem modernen Schweden jener Zeit, sondern blieb mit seinen Gedanken und seinen Werken im 19. Jahrhundert hängen, wobei seine Bücher auch keinerlei Freude ausstrahlen, sondern von Wehmut geprägt sind. Für jüngere Kritiker war Per Hallström daher bereits überholt als seine Bücher erschienen, wobei moderne Literaturwissenschaftler dem Autor teilweise sogar die Fähigkeit zu schreiben absprechen.

Per Hallström  muss mit den Augen des 19. Jahrhunderts betrachtet werden, auch wenn die meisten Werke erst im 20. Jahrhundert erschienen sind, da man sonst die Leistungen des Autors nicht erkennen kann, denn Hallström ist ein Schriftsteller der Wehmut, der zudem nicht in der Lage war Gefühle in persönliche Worte zu fassen, was jedem Leser seiner Romans und Novellen das Gefühl gibt ein Außenstehender zu sein, der eine Novelle erzählt bekommt statt in ihr zu leben.

Die Svenska Akademien hat zwei Romane von Per Hallström in seine Klassikerausgaben aufgenommen, die vermutlich die modernsten waren, die Hallström zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben hat, nämlich Döda Fallet und En Skälroman, der für die Svenska Akademien eines der bedeutendsten Werke des vorigen Jahrhunderts ist und sich im Grunde nur durch die Schilderungen des Norrlands ausdrückt, denn der Autor verliert immer wieder den Faden und ist vom Umfang des Werkes überfordert. Per Hallström war vor allem der Autor von Novellen, mit denen er sich auch einen Platz in der schwedischen Literaturgeschichte geschaffen hat, auch wenn die Svenska Akademien hier einen anderen Maßstab ansetzt.

Copyright: Herbert Kårlin

28 september 2012

Olle Länsberg, der verschollene Autor Schwedens

Olle Länsberg wurde am 28. März 1922 in Näsby als Sohn des Versicherungshändlers J. Länsberg und seiner Frau Elma C. Simonsson geboren und starb am 28. September 1998 in Höganäs. Trotz seinem großen Erfolg als Schriftsteller und Verfasser von Filmmanuskripten ist es ihm bis heute nicht gelungen wirklich einen Platz in der schwedischen Literaturgeschichte zu finden. Man begnügt sich meist damit ihm im Zusammenhang mit seinem Bestseller Käre John mit wenigen Worten einen Minimalplatz zu gewähren.

Auf Grund der Arbeit seines Vater hatte Olle Länsberg eine sehr unruhige Kindheit, denn bevor er sich an eine Gegend wirklich gewöhnen konnte, zog die Familie in einen neuen Ort. Vom Geburtsort kam er nach Uddevalla, Ljungby, Mölndal, Stockholm und Göteborg, bis das unstete Leben mit der Scheidung der Eltern endete als Olle Länsberg sieben Jahre als war.


Da die Mutter am Rande des Existenzminimums lebte, war es für Olle Länsberg auch undenkbar von einer höheren Bildung zu träumen, was bedeutete, dass er sechs Jahre Volksschule absolvierte und dann noch zwei Jahre in der Realschule in Göteborg fortsetzte, bevor er ins Berufsleben einstieg. Allerdings begann er seine Berufsarriere als Knecht, was sehr wenig mit Literatur zu tun hatte.

Zwischen 1937 und 1939 wechselte er seine Arbeitsstellen mehrmals, wobei er dann 1939 zum Militärdienst in Skövde einberufen wurde. Pech dabei war, dass in diesem Jahr auch der Zweite Weltkrieg ausbrach und sich Olle Länsberg nicht sehr wohl als Soldat fühlte. Im Jahre 1941 beging er Fahnenflucht und schlug sich in mehreren Gegenden Schwedens mit Gelegenheitsjobs durch, bis er 1942 im Straßenbau in Lappland landete. Da diese Arbeit noch härter war als der Militärdienst, entschied sich Olle Länsberg zurück nach Skövde zu gehen und seine Strafe wegen Fahnenflucht anzutreten. Dies brachte Olle der Literatur näher, denn er begann zu schreiben.

Nach dem Militärdienst traf Olle Länsberg seine Frau Gunborg Maria, heiratet sie und zog mit ihr im Herbst 1944 nach Stockholm, wo er erneut verschiedene Arbeiten annahm, unter anderem als Kellner, und ein Jahr lang die Volkshochschule besuchte um schreiben zu lernen und Kontakte zur Welt der Verleger zu finden. Bereits 1945 erschien dann Restaurant Intim, der erste Roman des Autors, und ein Jahr später kam Nordanvind.

Nach weiteren zwei Romanen war Olle Länsberg so bekannt, dass er von der schwedischen Filmindustrie fest angestellt wurde und begann Manuskripte für Filme zu schreiben. Der Schriftsteller behielt diese Anstellung von 1954 bis 1959, um dann die Kündigung einzureichen, weil er für den schwedischen Film keine Zukunft sah, denn es gab, in seinen Augen, nur noch zwei Seiten der Produktion: Åsa-Nisse und Bergmann. Dazwischen war eine Leere in der gute Ideen verschwanden.

Bereits 1957 war das Ehepaar Länsberg nach Mölle in Skåne gezogen, wo Olle Länsberg seine ersten beiden Jugendbücher veröffentlichte, nämlich Tuppens äventyr und Tuppen och pamparna, die jedoch nur mäßige Verkaufszahlen erreichten. Im Gegensatz zu Käre John, das durch sein freizügige Wortwahl und die Entromantisierung der Seefahrt zum Bestseller wurde, der auch in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Die literarische Produktion Olle Länsbergs setzte in den Folgejahren fort, wobei der Schriftsteller jedoch 1961 seinen größten Fehler machte, denn er setzte seine gesamten Einnahmen und Ersparnisse in ein landwirtschaftliches Projekt, da er als Landwirt zurück zum Lande finden wollte. Das Projekt begann optimistisch und endete 1969 damit, dass Olle Länsberg Schulden von rund einer halben Million Kronen hatte und in eine psychische Krise geraten war, die es ihm unmöglich machte vorerst weitere Bücher zu schreiben.

1971 erhielt Olle Länsberg dann jedoch ein Schriftstellerstipendium, das ihm fünf Jahre lang jeden Monat 1000 Kronen einbrachte, ein Geld, das er, unter anderem, in zwei Reisen nach Kuba investierte und zu einem Reisebericht über Kuba führte, in dem er das Land mit sehr düsteren Worten beschreibt, was natürlich dazu führt, dass die Verkaufsziffern des Buches nicht bedeutend waren.

Die Bücher von Olle Länsberg haben alle gewisse gemeinsame Charakterzüge, so sind seine Helden nicht unbedingt die sympathischen Wesen, zum anderen zeigt er die Doppelmoral der Gesellschaft, die von idealen Werten spricht und die schwarze Seite der Gesellschaft verschweigt, was sich sehr deutlich im Buch Skillsmässan zeigt, wo Religiosität eher zum Fanatismus wird, der mit der tatsächlichen Lebensweise der Christen wenig gemeinsam hat. 


Copyright: Herbert Kårlin

27 september 2012

Selma Billström, die unbekannte Frauenrechtlerin

Selma Billström, geborene Lundberg, kam am 27. September 1843 in Björkvik im Södermanland zur Welt und starb im Jahre 1926 in Stockholm. Selma war die Tochter von Jakob Lundberg, eines Prosten (Priester) und seiner Frau Kristina Selander. Sie heiratete 1880 den Veterinär Axel Billström, der allerdings bereits 1892 starb.

Selma Billström wurde, wie sehr viele Frauen zu jener Zeit, nur privat ausgebildet, erst im Elternhaus, dann privat bei Frau Lidmans Pension in Södertälje und besuchte schließlich noch die kunsthandwerkliche Schule (Slöjdskolan) in Stockholm. Aber auch ohne literarische Ausbildung und Beziehungen entschloss sich Selma der gesellschaftskritischen Literatur zu widmen.


Da jedoch Selma Billström alle ihre Beiträge in der Presse, aber auch andere Werke, unter den verschiedensten Pseudonymen, unter anderem als Moster Stina, veröffentlichte, ist heute nur sehr wenig von ihr tatsächlich erhalten und katalogisiert. Von ihrer regen Aktivität zeugen mehr ihre Zeitgenossen, die ihren Namen immer wieder im Zusammenhang mit verschiedenen Veröffentlichungen nennen, als heute noch zur Verfügung stehende Werke der Schriftstellerin und Journalistin.

Die Stärke von Selma Billström lag in Novellen, einer Literatur, die Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in Zeitungen veröffentlicht wurde. Während über ihre Prosaerzählungen aus dieser Zeit kaum etwas überliefert wurde, erregte ihre Aktivität als Gesellschaftskritikerin ein bedeutendes Aufsehen, denn Selma Billström setzte sich bereits in den ersten Jahren ihrer Ehe extrem für Tierschutz, das Wahlrecht für Frauen und die Rechte der Frauen ein, was die Autorin auch zu einer der ersten Frauenrechtlerin Schwedens machte. In diesen Bereichen wirkte Selma Billström jedoch nicht nur als Autorin, sondern sie hielt auch permanent Vorträge und forderte öffentlich eine Änderung des patriarchalen Gesellschaftssystem Schwedens. Vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahmen Vorträge, Veröffentlichungen und Aktivitäten zum Wahlrecht der Frauen dann die Überhand.

Unter den kritischen Werken von Selma Billström, ist nur eines vollständig erhalten, das die Schriftstellerin unter ihrem Pseudonym Moster Stina herausgab und bis heute eine Art Standardwerk zur Frauenbefreiung Schwedens ist. Selma veröffentlichte das Buch Tankar om prostitution och äktenskap im Jahre 1887, in dem sie vor allem Stellung zu den Vorträgen des Ökonomen Knut Wicksell zur Prostitution nimmt, einem Republikaner und kirchenfeindlichen Antimilitaristen der gleichen Epoche.

Copyright: Herbert Kårlin

26 september 2012

Ola Hansson, der schwedische Schriftsteller ohne Heimat

Ola Hansson wurde am 12. November 1860 als jüngster Sohn eines wohlhabenden Landwirts in Hönsinge, Skåne, geboren und begann bereits gegen Ende seiner Schulzeit unter dem Pseudonym Runmar für die Zeitung Nya Skåne zu schreiben. Nach der Hochschulreife schrieb sich Hansson an der Universität Lund an der philosophischen Fakultät ein, wobei er in dieser Zeit auch seine ersten Gedichte schrieb und auch bald mit Schriftstellern wie Herman Bang, Axel Lundegård und Victoria Benedictsson Kontakt aufnahm und als Journalist beim Aftonbladet in Stockholm arbeitete.

Noch in Stockholm kam Ola Hanssons erste Gedichtsammlung Dikter auf den Markt, aber trotz seiner Kontakte in Stockholm, war er schon 1886 wieder zurück in Skåne, wo er Stella Kleve (Pseudonym für Mathilda Malling) kennen lernte und dieser auch einen Heiratsantrag machte, den die Schriftstellerin allerdings ablehnte. Wenig später traf er dann die deutschsprachige Schriftstellerin Laura Mohr aus Lettland mit dänischer Herkunft, die er, nach gemeinsamen Ferien, bereits im Jahre 1889 heiratete.


Die Zeit zwischen 1886 und 1889 reiste Ola Hansson sehr viel, wobei er sich  insbesondere in Deutschland, der Schweiz und Italien aufhielt. Während dieser ersten Jahre seiner Reisen veröffentlichte er sein berühmtes Buch Sensitiva amorosa, das der literarischen Welt Schwedens jahrelang Gesprächsstoff gab, da das Buch mit seiner sensuellen Dekadenz der Mittelklasse einen Skandal verursachte, was den Verkauf des Werkes nur anregen konnte.

Nach der Ehe mit Laura Mohr, die ihre Werke unter dem Pseudonym Laura Marholm veröffentlichte, begann ein unstetes Leben, denn das Paar zog nach Berlin, dann nach Paris und in die Schweiz: Als ein Jahr später der gemeinsame Sohn geboren wurde, kehrte das Ehepaar kurz nach Skåne zurück, um jedoch bald wieder aufzubrechen, wobei die Reise sie nun zuerst nach Riga und dann nach Berlin führte, das sie jedoch nach zwei Jahren wieder verließen um nach Schliersee in Bayern zu ziehen.

In diesen Jahren arbeitete Ola Hansson sehr viel für die deutsche Presse, aber auch in regelmäßigem Abstand an seinen Gedichtsbänden und dem autobiografische Werk Resan hem, das allerdings erst 1894 erschien. In Deutschland bekam Hansson den Ruf eines Fachmanns für Nietzsche, dessen Verfechter der Autor war und dort brach er auch endgültig mit August Strindberg, der einige Tage bei ihm verbracht hatte.

In Schliersee blieb das Ehepaar bis 1899, wobei dies die ruhigste und produktivste Phase von Ola Hansson war. Trotz der hohen Leistung, die beide Schriftsteller brachten, kam es jedoch zu extremen finanziellen Problemen, zu paranoiden Anfällen und einer plötzlichen  Zuwendung zum Katholizismus, zu dem beide 1898 übertraten. 1899 verließen dann beide Schliersee um nach München zu ziehen, wobei sie den Sohn zurückließen, damit er in Schliersee zur Schule gehen konnte.

In München kam zur Paranoia der beiden noch ein steigender Alholkonsum, was dazu führte, dass Laura 1905 zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Ola Hansson fand durch diese Situation wieder etwas zurück in die Realität, was ihm auch dabei half seine Frau ein Jahr später aus der Psychiatrie befreien zu können, allerdings unter der Auflage, dass beide für mindestens drei Jahre Bayern verließen. Zwischen 1905 und 1919 reiste das Ehepaar dann mehr oder weniger durch Europa, abgesehen von einigen längeren Aufenthalten bei Bern und in Meudon. Obwohl beide sehr viel schrieben und veröffentlichten, so kamen sie wegen der permanenten Reisen nicht aus den finanziellen Schwierigkeiten, die auch Stipendien der Svenska Akademien und der Fröding-Stiftung, die Ola Hansson in dieser Zeit erhielt, nicht verhindern konnten. Der Verwirrungszustand von Ola Hansson, der merkwürdiger Weise in seiner Prosa und seiner Lyrik nicht zu finden ist, erreicht seinen Höhepunkt, als er in einem Brief an Esaias Tegnér den Nobelpreis für sich und seine Frau fordert.

Von 1919 bis 1922 wohnte das Paar dann zuerst im dänischen Espergaerde, dann in Mölle in Skåne. Als jedoch die Vorbereitungen für Ola Hanssons Samlade Skrifter beendet war, verschwand das Ehepaar wieder Richtung Süden. Dieses Mal hielten sich die beiden erneut in der Schweiz auf, dann in der Tschechoslowakei, Jugoslawien, Griechenland und schließlich der Türkei, wo Ola Hansson noch sein Werk Psyke och hemma beenden konnte, bevor er am 26. September 1925, vermutlich an einem geplatzten Blinddarm, in Buyukdere in der Türkei starb.

Wenn man die zahlreichen Werke von Ola Hansson liest, so spürt man in ihnen die Unruhe in der er lebte und die ihn dazu zwang nahezu von Ort zu Ort ziehen, aber man spürt auch die Einflüsse, die die verschiedensten Länder auswirkten und Hansson aus der klar zu definierenden Schicht von Schriftstellern herausragen lässt. Die Stärke seiner Arbeit liegt daher in einer Mischung aus französischer Philosophie, Heimatgefühl aus Skåne und den ständig wechselnden Gefühlseindrücken, die jeder neue Ort Ola Hansson aufdrückte.

Copyright: Herbert Kårlin

25 september 2012

Maj Sjöwall und Kommissar Beck

Maj Sjöwall wurde am 25. September 1935 in Stockholm als Tochter des Unternehmers Will Sjöwall und Margit Trobäck geboren. Auch wenn sie, außer als Schriftstellerin, auch als Journalistin und Übersetzerin gearbeitet hat und ein eigenes Leben führte, wird sie fast ausschließlich unter dem Begriff Sjöwall/Wahlöö genannt und verschmilzt daher mit ihrem ehemaligen Partner Per Wahlöö nahezu zu einer Einheit und man vergisst dabei sehr schnell, dass das Paar nur zehn Kriminalromane gemeinsam herausbrachte und Per Wahlöö weder vom Erfolg der Reihe erfuhr, noch das letzte Buch je in Händen hielt, da er vorher starb.

Bevor Maj Sjövall durch einen Zufall auf Per Wahlöö traf, hatte sie ein Studium als Journalistin und Grafikerin hinter sich, hatte bereits fünf Jahre für den Åhlén & Åkerlunds Verlag gearbeitet, zwei Jahre für den Verlag Wahlström & Widstrand und zwei Jahre für Esselte, wo sie als Übersetzerin, Journalistin und Copywriter arbeitete und daher enorme Erfahrung gesammelt hatte, die später dazu halfen den Beck-Büchern zum Erfolg zu helfen, da sie nicht nur schreiben konnte, sondern auch das gesamte Hintergrundgetriebe kannte.


Als Maj Sjövall und Per Wahlöö eine Affäre begannen, war Wahlöö verheiratet und hatte eine Tochter. Maj hatte zwei gescheiterte Ehen hinter sich und ebenfalls eine Tochter. Ihre Jugend beschreibt Maj Sjövall als eine einzige Revolte in der sie allein in Kneipen verkehrte, was in jener Zeit kaum ein junges Mädchen wagte, und sie suchte dort die Gesellschaft von Künstlern und Musikern. So kam es auch, dass sie mit 20 ein Kind erwartete, von einem Mann, den sie längst verlassen hatte. Da sie nicht abtreiben wollte, heiratete sie Gunnar Isaksson, der ihr die Schande eines Kindes ersparen wollte und 20 Jahre älter war als Maj selbst. Als die Ehe scheiterte, heiratete sie den ebenso nahezu 20 Jahre älteren Fotografen Hans. J. Flodquist, was aber ebenfalls bald schief ging, da der Charakter von Maj Sjöwall mit einem ruhigen Familienleben mit vielen Kindern, was sich die beiden Männer wünschten, nicht vereinbar war.

Auch das erste Treffen zwischen Maj Sjöwall und Per Wahlöö war noch nicht die große Liebe, zumal Maj wusste, dass der Schriftsteller verheiratet war. Per arbeitete damals am Kriminalroman Roseanna, dem ersten Band der Kriminalserie Beck. Die beiden trafen sich jeden Abend in der Kneipe, nicht nur um über das Manuskript zu reden, sondern Per gab Maj Sjövall jeden Abend das Manuskript, das zahlreiche Lücken hatte, damit sie diese Lücken füllen konnte, und so nebenbei eine Frauenfigur für das Buch erfinden sollte. Mit Entstehung dieses Buches entstand dann das enge Verhältnis, das zum immer unverheirateten Paar Sjöwall/Wahlöö führte und Maj zum Kriminalroman brachte.

Ein Jahr später zogen Maj Sjöwall und Per Wahlöö in eine gemeinsame Wohnung und es begann die Zusammenarbeit, aus der zehn Bücher mit Kommissar Beck hervorgingen. Der Verkauf der Bücher mit jeweils genau 30 Kapiteln war zufriedenstellend, aber kein wahrer Erfolg, denn der Erfolg setzte erst mehrere Jahre nach dem Tod von Per Wahlöö ein.

Maj Sjöwall wurde ab 1975 mehrmals darum gebeten die Serie mit Kommissar Beck fortzusetzen, was sie jedoch grundsätzlich ablehnte. Im Gegenzug dazu spielte sie jedoch kleinere Rollen in einigen der Beck-Filme, die in den 90er Jahren gedreht wurden und sie arbeitet bei den neuen Serien, die über Beck gedreht werden, als Beraterin für die Filmgesellschaft, aber Maj wollte keine weiteren Bücher über den Kommissar schreiben, da dies für sie ein gemeinsames Projekt mit Per Wahlöö war.

Dies sollte natürlich nicht bedeuten, dass Maj Sjöwall nach dem  Tod ihres Partners sich nicht mehr an die Schreibmaschine setzte, denn sie arbeitete weiterhin als Übersetzerin und veröffentlichte im Jahre 1990, in Kollaboration mit dem holländischen Autor Tomas Ross, das Buch Kvinnan som liknade Greta Garbo, das sehr gut von der Kritik aufgenommen wurde.

Mit dem Tod von Per Wahlöö war auch ihr Privatleben nicht zu Ende, denn Maj Sjöwall hatte nach 1975 noch mehrere kürzere und längere Verhältnisse, die jedoch nicht mehr an jenes heranreichten, das die Schriftstellerin mit Per Wahlöö verbunden hatte. Seit mehreren Jahren lebt Maj Sjöwall nun allein.

Die zehn Kriminalromane mit der Hauptfigur Beck, angefangen von Roseanna bis zum letzten Buch, Terroristerna, spielen alle im Stockholmer Milieu der 60er Jahre und tragen alle eine marxistisch orientierte Gesellschaftskritik, was diese Bücher auch so einmalig innerhalb der schwedischen Literaturgeschichte macht, denn Sjöwall/Wahlöö waren in der Lage einen politischen Kriminalroman zu erfinden ohne dass die Leser dies unmittelbar mitbekommen hätten.

Copyright: Herbert Kårlin

24 september 2012

David Vikgren, moderne Lyrik aus dem dem hohen Norden

David Vikgren wurde am 24. September 1975 in Övertorneå geboren, wo er auch, neben Luleå, den größten Teil seiner Kindheit und seiner Jugend verbrachte, bevor er dann an der Universität Göteborg literarische Gestaltung studierte. Nach seinem Studium ließ sich der Lyriker in Göteborg nieder.

Auch wenn David Vikgren bereits im Jahre 2002 mit seinem Buch För en framtida antropologisk forskning in die Öffentlichkeit trat, so begann seine schriftstellerische Karriere erst zwei Jahre später mit seinem Gedichtsband Ordning, einem Werk, das wie nur wenige gegenwärtigen poetischen Werke die moderne schwedische Lyrik ausdrückt. Auch wenn Vikgren diese Gedichtsammlung Ordning genannt hat, so hat man bei der Lektüre das Gefühl, dass man sich in einem Chaos befindet, das man erst selbst ordnen muss. Der Lyriker gräbt in Form seiner Gedichte in allen Registern der Vergangenheit und man erlebt die gesamte Spanne der Gefühle von höchstem Glück bis zur abgrundtiefen Angst abwechseln geboten.


Auch die folgenden Bücher von David Vikgren verlassen nicht den höchsten Norden Schwedens wo sich die langen Nächte und die ewigen Tage in regelmäßiger Folge abwechseln. Aber die Gedichte Vikgrens kreisen nicht nur um seine persönlichen Erlebnisse, sondern er stellt das gesamte Gefüge des Norrlands in Frage. Während man auf einer Seite die Schneelandschaft spürt und den beruhigenden Geräuschen der Wälder lauscht, hört man im nächsten Gedicht den Lärm einer Grube, die alles zerstört was tausende von Jahren geschaffen haben. In manchem Momenten fühlt man dabei selbst den Marxisten David Vikgren, der der wirtschaftlichen Invasion aus dem Süden seinen Widerstand zeigen will.

Mit seinem vierten Gedichtsband Folkmun aus dem Jahre 2011 macht es David Vikgren seinen Lesern im wahrsten Sinne des Wortes nicht einfach, denn bei seiner Anklage gegen die Kommerzialisierung der Natur Nordschwedens durch zerstörerischen Tourismus von beiden Seiten, denn jedes Dorf will mit Superlativen davon nutzen und bedauert gleichzeitig die Zerstörung durch die finanzstarken Eroberer, lässt der Autor alle Fragen offen.

Folkmun ist jedoch nicht nur eine Herausforderung durch die knappe lyrische Form der Aussagen, sondern auch, weil David Vikgren hier norrländische Ausdrücke, lokale Begriffe und selbst finnische Worte in seine Lyrik einfließen lässt, so dass man mit jeder Zeile tief in die norrländische Seele eingeladen wird und sich die Gedichte im Laufe der Lektüre zu einer gesellschaftskritischen Gedankenwelt zusammenfügen. 

Im Jahre 2007 schrieb David Vikgren das Stück HEM für das Norrbottensteater, das an verschiedenen Handlungsorten die Probleme des Krankensystems, illegale Einwanderer und den Tourismus von einer Problemsituation zu einem gemeinsamen „zu Hause“ verwandelt und ein Paradox sich in eine Normalsituation verwandelt, auch wenn die Sehnsucht jedes Einzelnen erhalten bleibt.

Die Gedichte David Vikgrens wurden zum Teil ins Rumänische, Arabische und Ukrainische übersetzt. Im Jahr 2001 erhielt der Lyriker den Lyrikpreis in Höhe von 30.000 Kronen der Schwedischen Radioanstalt für seine außerordentliche Leistung überreicht.

Copyright: Herbert Kårlin

23 september 2012

Per Olov Enquist und die interpretierte Wirklichkeit im Roman

Per Olov Enquist wurde am 23. September 1934 in Hjoggböle in Västerbotten geboren, wo, nach Aussagen des Schriftsteller, die Bäume seine Nachbarn und seine Freunde waren. Da Per Olovs Vater, Elof Enqvist, berreits starb als der Autor gerade einmal ein Jahr alt war, wurde er von der Mutter, Maria Lindgren, allein aufgezogen. Maria, die nur Maja genannt wurde, war Volksschullehrerin und eine extrem gläubige Christin, was sich letztendlich auch auf die Werke von Per Olov Enquist auswirkte, der den Glauben übernahm.

Mitte der 50er Jahre wollte Enquist noch Sportler werden, da er außerordentliche Leistungen im Hochsprung brachte, aber nach seinem Studium an der Universität Uppsala wandte er sich der Hochschullehre und dem Journalismus zu, wobei er insbesondere für die Kulturseiten des Svenska Dagbladet und den Expressen schrieb.


Per Olov Enquist begann seine schriftstellerische Karriere mit dem Buch Kristallögat (Das Kristallauge) im Jahre 1961, einer Novelle, die zu jener Zeit nahezu unbemerkt blieb. Erst drei Jahre später gelang ihm mit Magnetisörens femte vinter (Der fünfte Winter des Magnetiseurs) der Durchbruch, einem Roman, der er in Deutschland handeln ließ und einem Magnetiseur die Kraft gibt ein blindes Mädchen zu heilen. Allerdings holt den „Heiler“ durch seine Berühmtheit auch seine Vergangenheit ein.

Magnetisörens femte vinter
wird später verfilmt und verhilft Per Olov Enquist zu einer internationalen Karriere. Auf Grund des Erfolgs des Themas lässt Enquist in mehreren Folgebüchern immer wieder Krankheiten, Ärzte und Wunder auftauchen, was ihn nahezu zu einem medizinischen Experten unter seinen Lesern macht, obwohl die Kritiker immer wieder darauf hinweisen, dass der Schriftsteller Dinge als belegte Tatsachen darstellt, die nur in seiner schriftstellerischen Fantasie der Wahrheit entsprechen. Per Olov Enquist überzeugt seine Leser durch die religiös-mystische Seite seiner Erzählungen.

Während die Kritiker die Einflechtung von angeblichen Tagesbuchaufzeichnungen und Hinweise auf nicht existierende Dokumente in Enquists Werken noch als schriftstellerische Freiheit akzeptieren, ist dies bei den historischen Romanen und Biographien weniger der Fall, da hier Per Olov Enquist seine persönliche Meinung dominieren lässt und dabei den Leser glauben lässt, dass es sich um Fakten handelt. Diese Methode des Schreibens bringt ihm jedoch Ruf und Achtung, da seine Leser gerade das Verwischen zwischen Tatsache und Fiktion suchen, da Enquist damit eine neue Wahrheit aufstellt und von vorgegebenen Bahnen abweicht.

Per Olov Enquist bleibt jedoch nicht nur beim Journalismus und der Schriftstellerei, sondern beweist auch, dass er als Dramatiker Erfolg hat, denn er schrieb für das Fernsehen das Manuskript für den Film Strindberg, Ett liv (Strindberg. Ein Leben) und arbeitete mit Ingmar Bergman am Stück Bildmakarna am Dramaten in Stockholm. Mehrere seiner Dramen, die er ab 1975 schrieb, haben einen durchschlagenden Erfolg.

Im Jahr 2008 erschien dann Ett annat liv, die Autobiographie des Schriftstellers Per Olov Enquist, in dem er in der dritten Person über sich schreibt. Das 552 Seiten umfassende Werk wird von den Lesern auf zwei Arten aufgenommen, nämlich als das Werk eines Genies, oder als das Buch eines Narzissen, der sich ständig selbst loben will und sich mit 200 Seiten begnügen sollen hätte. Für Ett annat liv (Ein anderes Leben) erhält der Schriftsteller dann seinen zweiten Augustpreis (Augustpriset), die höchste Auszeichnung Schwedens für einen Schriftsteller.

Dass Per Olov Enquist bei einer fixen Idee nicht aufgibt und seine Meinung verficht, erkennt man am besten am Kulturjournalisten Enquist, denn seit dem Tod von Olof Palme  behandelt er die Morduntersuchung in jeder Art von schriftlicher Ausdrucksweise. Seit über 20 Jahren erklärt der Autor seine persönlichen Beobachtungen zum Mord und lässt die Diskussion nicht sterben.

Eine Frage, die bei Enquist immer wieder auftaucht, ist auch die Frage, ob Per Olov Enquist ein Regionalautor ist, denn nicht nur dass der streng religiöse Glaube der Dörfer aus Västerbotten immer wieder in seine Werke einfließt, Enquist lässt mehrere Werke in seiner Heimat handeln, er benutzt die Redewendungen und den Dialekt aus Västerbotten und er zitiert Auszüge aus religiösen Werken, die aus Västerbotten kommen. Aber macht all dies Enquist zu einem regionalen Autor?

Per Olov Enquist wurde mit Livläkarens besök (Der Besuch des Leibarztes) und Nedstörtad ängel in die Liste der 1000 schwedischen Klassiker aufgenommen und zählt daher noch zu Lebenszeit zur klassischen Literatur Schwedens.

Der Schriftsteller war dreimal verheiratet. Seine erste Ehe ging er mit der Volkschullehrerin Margareta Ersson ein, die zweite Ehe führte er mit der dänischen Schriftstellerin Lone Bastholm und gegenwärtig ist er mit der früheren Staatssekretärin Gunilla Thorgren verheiratet.

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22 september 2012

Olov Svedelid, Kriminalromane im Stockholmer Milieu

Olov Svedelid wurde am 26. August 1932 auf der Mälarinsel Kungsholmen in Stockholm geboren und starb am 22. September 2008 in Stocksund in Danderyd, einem Villenvorort der schwedischen Hauptstadt. Die Eltern Svedelids, Anders und Agnes Alfredsson, waren beide aus dem Värmland und hatten sich in Stockholm niedergelassen, wo der Vater Svedelids als Zimmermann arbeitete.

Bereits in seiner Jugend wollte Olov Svedelid Schriftsteller werden, wobei er, nach eigenen Aussagen, die Verlage mit Manuskripten geradezu bombardierte, die ohne Ausnahme alle abgelehnt wurden, nicht zuletzt deswegen, weil Svedelid dabei versuchte die französische Literatur im Stil von Sartre auf seine Weise in der schwedischen Literatur einzuführen, ein Versuch, den in den 50er Jahren nahezu jeder junge Autor in Schweden erfolglos unternahm.


Die rettende Idee hatte schließlich Elli Björkén, seine Frau, die er bereits 1954 geheiratet hatte und mit der er zwei Kinder bekam. Sie schlug ihm vor doch Kriminalromane zu schreiben. Die Idee trug Früchte und schon 1964 erschien Svedelids erster Krimi Döden tystar mun, den er allerdings in Malmö handeln ließ, der Stadt, wo man am meisten über Kriminalität sprach.

Nach einigen anderen Kriminalromanen mit mittelmäßigem Erfolg, kam im Jahre 1972 Anmäld försvunnen, der erste Krimi, in dem Kriminalinspektor Roland Hassel die Hauptrolle spielt und Svedelid die Handlung nach Stockholm verlegt. „Als vermißt gemeldet“ (Anmäld försvunnen) schlägt unmittelbar ein, wird von den Kritikern einstimmig gelobt und mit den ersten literarischen Preisen versehen. In der Folge erscheinen dann in unregelmäßiger Folge noch 28 weitere Kriminalromane mit der gleichen Hauptfigur.

Die Kriminalromane mit Kriminalinspektor Hassel haben nicht nur die Eigenheit, dass sie überwiegend in Stockholm spiegeln, sondern auch, dass Svedelid in jedem Band ausdrückt, dass die Gesellschaft der Dekadenz entgegengeht und früher alles besser war, eine Meinung, die viele seiner Leser teilen.

Ab 1977 schreibt Olov Svedelid dann, gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Leif Silbersky, 23 Kriminalromane, die sich überwiegend im Gerichtssaal abspielen und von tatsächlichen Rechtsfällen handeln, die in Schweden durch Schlagzeilen bekannt gemacht wurden. Auch hier gibt es eine Hauptfigur, den älteren Rechtsanwalt Samuel Rosenbaum, der in großen Linien an Silbersky erinnert, zumal beide Rechtsanwälte jüdische Namen tragen.

Zwischen 1977 und 1994 erscheint eine weitere Serie von Olov Svedelid. Dieses Mal handelt es sich um zehn Jugendkrimis mit den Betonrosorna, den „Betonrosen“, die ihm einen weiteren Leserkreis erschließen, auch wenn diese Reihe nicht so bekannt wurde wie Enid Blytons The Famous Five Series.

Olov Svedelid war unermüdlich im Schreiben, auch wenn er einmal sagte, dass er für einen Krimi gerade einmal zehn Tage benötigt und nie auch nur einen Strich der ersten Version ändert. Um einen Roman von 450 Seiten zu schreiben, benötigte allerdings auch Svedelid einen Monat bei seinem klar eingeteilten Arbeitsrhythmus, der täglich morgens um sechs Uhr begann. Insgesamt erschienen von Svedelid innerhalb von 44 Jahren über 190 Bücher, darunter auch historische Romane, Belletristik und einige Jugendbücher.

Auch wenn die meisten Bücher Svedelids in großen Auflagen erschienen, so schlug keines der Werke seine Kriminalromane im Stockholmer Milieu. Zehn seiner Bücher mit Roland Hassel als Hauptfigur wurden zu Kinoerfolgen, weitere Filme folgten im Fernsehen. Seine beliebtesten Handlungsorte in der Gamla Stan in Stockholm wurden mittlerweile teilweise abgerissen und von modernen Bauten ersetzt, was viele Stockholmer bei der Lektüre der Bücher noch in eine Nostalgie versetzt.

Das letzte Buch, das noch erschien bevor der Schriftsteller im Alter von 76 Jahren in Stocksund starb, war seine Autobiografie Riden av maran, besatt av demoner, helad av änglar, die insbesondere die Zeit behandelt als Svedelid erfuhr, dass er Krebs hatte und seine Begegnung mit dem Krankensystem Schwedens. Ein Jahr nach seinem Tod erschien dann noch Älskade Stockholm, eine Art bebilderter Reiseführer zu den Geheimnissen Stockholms, gesehen mit den Augen von Olov Svedelid.


Copyright: Herbert Kårlin

21 september 2012

Viktor Rydberg, der Autor zwischen Mythologie und Philosophie

Viktor Rydberg wurde am 18. Dezember 1828 in Jönköping geboren und starb am 21. September 1895 in Djursholm, dem heutigen Danderyd. Sein Vater, Johan Rydberg, war Schlosswächter und seine aus Polen stammende Mutter, Hedvig Kristina Duker, war Hebamme.

Allerdings verbrachte Viktor Rydberg seine Kindkeit kaum mit seinen Eltern, da die Mutter bereits 1834 an Cholera starb und Viktor wenig später mehr oder oder weniger von einer Pflegefamilie zur anderen kam und daher eigentlich erst an der Universität in Lund wirklich zu sich fand, auch wenn er weiterhin dafür arbeiten musste um sein Studium durchführen zu können. An der Universität Lund holte er erst die Hochschulreife nach und begann dann Jura zu studieren, ohne jedoch je ein Examen abzulegen.


Seine Karriere als Autor begann Viktor Rydberg im Jahre 1847 als Journalist beim Jönköpingsbladet um später auch bei der Göteborgs Handels- och Sjöfartstidning fortzusetzen, beide Male unter dem Chefredakteur Johan Sandwall, der in gewisser Weise auch Mäzen des Schriftstellers wurde und die ersten Werke Viktor Rydbergs veröffentlichte und ihm damit die Tür zur literarischen Welt öffnete. In Göteborg fand er unter S. A. Hedlund, dem Herausgeber der Göteborgs Handels- och Sjöfartstidning einen weiteren Wegbereiter.

Neben seiner Arbeit als Journalist in Göteborg arbeitete Viktor Rydberg an einigen seiner bekanntesten Werke, die er jedoch im Laufe der Jahre bei Neuauflagen teilweise ergänzte oder auch erheblich änderte. Sein romantischer Sagen-Roman Singoalla erschien 1857 im Göteborger Kalender Aurora und erst acht Jahre später als Buch. Mit Den sista athenaren führte er im Jahre 1859 in Schweden den Feuilletonroman ein, der gleichzeitig zur Zeitkritik und als Diskussionsbasis benutzt werden konnte und mit Bibelns lära om Kristus legte er sich 1862 mit der konservativen Kirche Schwedens an, da er Jesus die Göttlichkeit nahm und die Dreifaltigkeit verleugnete. Mit diesem Roman gelang es Viktor Rydberg, gehasst oder bewundert, in aller Munde zu geraten.

Ein gewisser Bruch entstand in Viktor Rydbergs Werken mit Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere, denn 1876 wurde er an die Universität Göteborg berufen, 1877 in die Svenska Akademien gewählt, 1884 Professor an der Universität Stockholm und 1887 wurde er in die Vetenskapsakademien gewählt, was auch bedeutete, dass seine Werke in den wissenschaftlichen Bereich gezählt wurden, dem Schriftsteller jedoch andererseits auch erlaubte kritische Themen auf anerkannte Weise aufzugreifen.

Während der letzten 20 Jahre seines Lebens schrieb Viktor Rydberg einerseits zahlreiche Gedichte, unter anderem auch das sehr bekannte Betlehems stjärna, das 1893 von Alice Tegnér vertont wurde. Andererseits begann er immer tiefer in der Forschung der germanischen und vor allem nordischen Mythologie aufzugehen, was auch zu den Werken Studier i germansk mytologi und Fädarnas gudasaga führte, die noch heute als bedeutende Quelle der Mythologie dienen.

In diesem Rahmen muss man jedoch bedenken, dass Viktor Rydberg nie in erster Linie Forscher war, sondern Schriftsteller, was natürlich dazu führte, das er auch bei wissenschaftlichen Werken seine Phantasie walten ließ und, ähnlich wie beim Roman Bibelns lära om Kristus eine sehr persönliche Meinung vertrat sowie Handlungen zu einem logischen Verlauf verarbeiten wollte, eine Forderung, die bei germanischer und nordischer Mythologie nicht immer zu erfüllen ist. Die wichtigste Frage, die sich Viktor Rydberg in diesem Zusammenhang stellte, war jedoch, in welcher Weise das wachsende Christentum im frühen Mittelalter die nordische Sagenwelt bereits manipuliert hatte um einen Übergang der Götterwelten zu ermöglichen.

Die geistige Einstellung Viktor Rydbergs wird auch an einem weiteren Ereignis deutlich, denn als er 1890 mit seiner Frau, Susen Emilia Hasselblad, in die Villa Ekeliden in Djursholm (heute Danderyd) zog, ein Neubaugebiet, setzte sich der Schriftsteller dafür ein, dass alle Straßen in seiner Umgebung eine Beziehung zur nordischen Welt der Götter bekamen.

Viktor Rydberg war in gewisser Weise ein Erneuerer der Literatur, aber er sucht im nationalen Zeitstrom des 19. Jahrhunderts seine Themen aus der Vergangenheit des Nordens, was man beim Lesen seiner Werke heute manchmal vergisst.

Am 21. September 1895 starb Viktor Rydberg nach kurzer Krankheit in der Villa Ekeliden. Das Haus wurde nur wenige Jahre später von der Kinderbuchautorin und Künstlerin Elsa Beskow bezogen und Anfang der 50er Jahre abgerissen. Rydbergs Grabmonument mit seiner Statue findet man im Östra kyrkogården in Göteborg.

Copyright: Herbert Kårlin

20 september 2012

Olle Hedberg, der Autor, der seine Vergangenheit verbrannte

Olle Hedberg, der eigentlich Carl Olof mit Vornamen hieß, wurde am 31. Mai 1899 in Norrköping geboren und nahm sich am 20. September 1974 in Verveln im Östergötland das Leben, nachdem seine einzige Tochter Birgitta kurz zuvor an einer Gehirnblutung gestorben war.

Als Olle Hedberg drei Jahre alt war, starb sein Vater, so dass er und sein Bruder allein mit der Mutter in Södertälje und Stockholm aufwuchsen. Da Olle von Kindheit an Schriftsteller werden wollte, studierte er gegen 1920 an der Universität in Stockholm Literaturgeschichte und Religionsgeschichte, ohne jedoch je einen Abschluss zu machen.


Vermutlich noch während der Studienzeit heiratete Olle Hedberg die Literaturforscherin und Schriftstellerin Ruth Hedberg, geborene Collin, die sich allerdings nur Chloë nannte. Das Paar zog dann in den Ort Verveln im südlichen Östergötland, in ein Haus, das der Schriftsteller auch behielt als seine Frau 1959 starb, auch wenn er ab diesem Zeitpunkt immer häufiger im Ausland unterwegs war.

Obwohl Olle Hedberg seit 1930 jeweils ein Buch pro Jahr herausgab, ausgenommen 1939, als zwei Werke im gleichen Jahr erschienen, so ist über sein Privatleben kaum etwas bekannt was über den Inhalt seines autobiografischen Roman Mitt liv var ett dröm aus dem Jahre 1962 hinausgeht, denn bevor der Schriftsteller Selbstmord beging, verbrannte er alle privaten Aufzeichnungen, sowie sämtliche Fotos und Briefe, die einen kleinen Einblick in sein Leben gewährt hätten.

Das Thema der meisten Bücher, die Olle Hedberg schrieb, kreisten um das bürgerliche Leben Schwedens vor den 50er Jahren, was ihm Anfangs eine sehr große Leserschicht brachte, ab den 60er Jahren jedoch immer weniger Schweden ansprach, da die bürgerliche Epoche als Vergangenheit betrachtet wurde und der Widerstand gegen das alte System von einer Arbeiterbewegung abgelöst worden war, einem Schritt, dem Olle Hedberg nicht folgen konnte.

Der Durchbruch kam für Olle Hedberg bereits mit seinem ersten Buch Rymmare och fasttagare, der Geschichte eines bürgerlich erzogenen Gymnasiasten, der von zu Hause ausreißt um den Sinn des Lebens als Arbeiter zu finden. Nachdem die Kritiker das Werk in jeder erdenklichen Weise lobten, wurde das Buch selbst zur Pflichtlektüre in Schulen, zumal die Hauptfigur des Romans, Niklas Nissman, sich letztendlich an das gesellschaftlich vorgegebene System anpasst und zurück in die Bourgeoisie kehrt.

Im Laufe seiner Werke dringt bei den Werken Hedbergs immer mehr eine Art Religiosität hervor, die das Leben nach dem Tod als Ideal betrachtet und das Leben als solches nur als notwendiges Zwischenstadium. Dieser Inhalt führte nach dem Tod Hedbergs auch dazu, dass man davon ausgeht, dass sich der Schriftsteller schon immer mit dem Selbstmord auseinandersetzte, was nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1959 jedoch extreme Züge annahm.

Nach Literaturwissenschaftlern gilt der Roman Bekänna färg von 1947 als das Meisterwerk von Olle Hedberg, ein Buch bei dem die Hauptfigur bereits tot ist, ein Werk, das der Autor zu Beginn der 70er Jahre, gemeinsam mit vier späteren Werken, für eine Neuauflage auswählte.

Das einzig emotionale Werk des Schriftsteller ist mit Sicherheit die Satire Ut med blondinerna! aus dem Jahre 1939, das den Untertitel Sann berättelse ur livet trug und gegen den Nazismus in Deutschland gerichtet war. Obwohl Olle Hedberg um diese Zeit bereits einen ausgezeichneten Ruf hatte, verbot das schwedische Außenministerium das Werk in einer Radiosendung zu diskutieren, da man in diesen Jahren in Schweden keine Kritik gegen des Nazideutschland offen zeigen durfte.

Die letzten beiden Bücher des Schriftstellers waren Tack och farväl aus dem Jahre 1973, ein Roman nahezu ohne Handlung bei dem die Dialoge nur um den Abschluss des Lebens ohne begehrenswerte Zukunft handeln und Tänk att ha hela livet framför sej, das noch 1974 erschien und der Abschluss seines Lebens bildete.

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19 september 2012

Hjalmar Bergman und die fiktive Stadt Wadköping

Hjalmar Bergman wurde am 19. September 1883 als Sohn des Bankangestellten Claes Bergman und seiner Frau Fredrique Bergman in Örebro geboren und starb am 1. Januar 1931 an einer Mischung aus Drogen und Alkohol in Berlin.

Da Hjalmar Bergman bereits als Kind sehr dick war, gehörte er zu jenen, die permanent gemobbt wurden und eine relativ schwere Kindheit hatten, was sich sauch ein Leben lang in seiner labilen psychischen Verfassung deutlich machte. Die Situation, dass er sich während der Pubertät weder für Frauen noch für Männer entscheiden konnte, erschwerte die Situation zusätzlich.


Nach der Hochschulreife verbrachte Hjalmar Bergman ein Jahr in Italien, wo er vermutlich auf die Idee kam sich der Schriftstellerei zu widmen, denn nach seiner Rückkehr nach Schweden schrieb er im Jahre 1905 das Drama Maria, Jesu moder, das allerdings von der literarischen Welt nicht einmal bemerkt wurde.

Erst nachdem er dann 1908 Stina Lindberg geheiratet hatte, begann Hjalmar Bergman wieder ein einem neuen Werk zu arbeiten. Der Roman Hans nåds testamente, der mehrere Jahre später auch verfilmt wurde, leitete seine Karriere als lokaler Schriftsteller der Region Bergslagen ein und hatte einen mäßigen Erfolg, der daraus zu erklären ist, dass seine frühen Bücher das Publikum verblüfften und die Kritiker die Werke zerrissen. Da Bergmans Stil sich so ausdrückte, dass er das Innenleben einer handelnden Person am Äußeren ausdrückte, zum Beispiel seinen Bewegungen und Handlungen, waren die Romane nicht für eine oberflächliche Lektüre geeignet, was man bei einem Lokalautor allerdings erwartete.

Der Durchbruch kam für Hjalmar Bergman mit seinem Roman Markurells i Wadköping, der im Jahre 1919 erschien, zu einer Zeit, als der Schriftsteller bereits durch die Verfilmung von Hans nåds testamente bekannter geworden war, aber auch deshalb, weil die Leser in diesem Roman Örebro erkennen konnten und Bergman einen humoristischen Stil benutzte, den die Leser auch besser verstehen konnten. Mit der Museumsstadt Wadköping in Örebro wurde dieses Werk unsterblich gemacht.

In dieser Zeit begann Hjalmar Bergman auch immer mehr nach Alkohol und Drogen zu greifen, was sich erstaunlicherweise nicht auf seine produktive Leistung auswirkte, denn einige seiner bekanntesten Werke wie Farmor och Vår Herre oder Chefen Frau Ingeborg schrieb er zu einer Zeit als er nur selten nüchtern war. Eine Erklärung für die Flucht in Drogen und Alkohol kann seine öffentlich unterdrückte Homosexualität gewesen sein, denn trotz der Ehe mit Stina Lindberg hatte der Schriftsteller zahllose homosexuelle Verhältnisse, überwiegend mit jüngeren Männern.

Während der Filmarbeiten lernte Hjalmar Bergman auch den damals sehr bekannten schwedischen Schauspieler Gösta Ekman kennen mit dem ihn eine gewisse Freundschaft, aber aber auch die Liebe zu Drogen, verband. Aus dieser Verbindung entstand im Jahre 1930 das letzte Buch Hjalmar Bergmans, das unter dem Titel Clownen Jac bekannt wurde und eine Mischung aus einer Biografie von Gösta Ekman und der Autobiografie des Verfassers ist. Das Grundthema des Buches kreist darum, dass beide Künstler im Leben eine Maske tragen müssen.

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18 september 2012

Sigrid Kahle und die Welt des Islam

Sigrid Kahle, geborene Nyberg, wurde am 18. September 1928 als Tochter des Orientalisten H. S. Nyberg und seiner Frau Fanny Hasselberg in Paris geboren und ist die Schwiegertochter des deutschen Professors Paul Kahle. Die Schriftstellerin wuchs jedoch in Uppsala auf, wo sie gegenwärtig auch mit ihrem neuen Partner Carl-Göran Ekerwald lebt.

Sigrid Kahle traf ihren ersten Ehemann Hans Kahle (John Kahle), den sie im Jahre 1951 heiratete, durch ihren Vater, da beide auf Orientalistik spezialisiert waren. Als Hans Kahle nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland zurückkehren konnte, entschied er sich für den diplomatischen Dienst, was dazu führte, dass Sigrid Kahle mit ihm den gesamten Orient erlebte und mehrere Jahre in Pakistan, Afghanistan oder auch dem Irak verbringen konnte.


Während ihrer Aufenthalte in anderen Ländern, gelang es Sigrid Kahle nicht nur ihre journalistische Karriere fortzusetzen, sondern sie führte auch Regie bei mehreren Theaterstücken und verwirklichte damit einen kleinen Jugendtraum, da sie ursprünglich Schauspielerin werden wollte.

Auch wenn Sigrid Kahle bereits ab 1955 regelmäßig für das Svenska Dagbladet arbeitete, begann ihre schriftstellerische Karriere erst ab 1985, als sie sich überwiegend in Uppsala und München aufhielt. Ihre wenigen Werke, ausgenommen die Biographie von H. S. Nyberg und die Autobiografie Jag valde mitt liv, haben eine Anknüpfung an die orientalischen Kulturen und setzen sich vor allem mit dem Islam auseinander, den sie insbesondere während eines fünfjährigen Aufenthalts in Tunesien tiefer kennen lernte.

Zurück in Schweden begann Sigrid Kahle nicht nur schriftstellerisch tätig zu werden, sondern versuchte der Bevölkerung durch zahlreiche Vorträge auch den Islam und die Denkweise des Islam näher zu bringen, da sie erstaunt über die westlichen Vorurteile und die Unkenntnis über den Islam war, was sich in ihren Augen auch durch die Mohammed-Karrikaturen sehr deutlich zeigte. Ihre Kritik der Invasion des Irak und zahlreiche andere Kritiken führten jedoch dazu, dass die Autorin immer seltener zu Vorträgen zum Thema Islam geladen wurde.

Im Jahre 2006, drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes, schenkte Sigrid Kahle ihre gesamte Sammlung an Büchern zur Islamforschung und über den Orient der Universität in Umeå. Die rund 9000 Werke sind die größte Sammlung dieser Art auf schwedischem Boden und werden von der Universität ausgewertet und katalogisiert.

Sigrid Kahle gehört noch heute zu den meist diskutieren Schriftstellern, die sich mit der Kultur und der Entwicklung des Islam beschäftigen, nicht zuletzt deswegen, weil sie Forschungsergebnisse und private Erlebnisse vermischt und ein Bild des Islam zeigt, das die politische westliche Welt nicht unbedingt als Tatsache anerkennt.

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17 september 2012

August Blanche und das Stockholmer Milieu des 19. Jahrhunderts

August Blanche wurde am 17. September 1811 unehelich in Stockholm geboren und starb dort am 30. November 1868. Sein Vater, Mårten Bergvall, war der spätere Priester der Hedvig Eleonora Kirche der Stadt, wobei August jedoch nie dessen Namen führte, sondern die wallonische Version des Namens seines Stiefvaters annahm, der den Nachnamen Blanck trug. Die Mutter, Katarina Hedberg, war bei der Geburt von August Blanche Dienstmädchen im Hause des leiblichen Vaters.

Mårten Bergvall finanzierte indes seinem Sohn die Studien in Uppsala, die er im Jahre 1838 mit dem höchsten juristischen Examen abschloss. Als August Blanche jedoch einige Zeit hinter einem amtlichen Schreibtisch verbracht hatte, gab er die juristische Karriere auf und entschied sich hauptberuflich Journalist und Schriftsteller zu werden.

Lithografie: A. Nay, Reichsarchiv Stockholm

Noch im gleichen Jahr als er seine Studien beendet hatte, begann er als Redakteur bei der liberalen Zeitschrift Freja zu arbeiten, wo er bald zum Chefredakteur ernannt wurde. Als Journalist zeigte sich August Blanche als streitsüchtig und radikal, was ihm jedoch auch einen gewissen Ruf einbrachte. Bereits 1842 entschloss sich Blanche dann jedoch die journalistische Karriere zu begraben und seine gesamte Zeit der Schriftstellerei zu widmen, was jedoch nur zum Teil zutraf, denn August Blanche wurde zwischen 1857 und 1863 wieder für die Illustrerad Tidning aktiv.

Die Entscheidung den Journalismus aufzugeben hatte sicher auch damit zu tun, dass er um diese Zeit auch den Stockholmer Malmgård, ein Landgut in der Stadt, von seinem leiblichen Vater übernahm und keinerlei finanziellen Probleme kannte. Außerdem war Blanche mittlerweile bekannt genug um auch vom Verkauf seiner Bücher leben zu können.

In den 40er Jahren schrieb August Blanche dann, außer einigen sogenannten Tendenzromanen nicht weniger als 36 Lustspiele, die im Stockholmer Theater aufgeführt wurden, was ihn vermutlich zum meistgespielten Dramatiker dieser Epoche machte. Sein Lustspiel Ett resande teatersällskap wurde noch 1972 als TV-Serie übertragen, was die Zeitlosigkeit seiner Stücke ausdrückt.

Das vermutlich bedeutendste Werk von August Blanche ist die vierbändige Novellensammlung Bilder ur verkligheten, die zwischen 1863 und 1865 erschienen und das Leben Stockholms des 19. Jahrhunderts zur Kulisse nehmen. Der Autor lässt hier alle Ereignisse in realer Umgebung handeln und geht bei einigen Beschreibungen der Bewohner selbst so weit, dass er die echten Namen nennt. Dieses Werk führte auch dazu, dass er mit Carl Michael Bellman und August Strindberg in einem Zug genannt wird, da alle drei ein authentisches Bild Stockholms lieferten.

Parallel zu seiner sehr umfangreichen Tätigkeit als Schriftsteller war August Blanche ab 1859 auch politisch sehr aktiv und nahm mehrere wichtige Position innerhalb der Stockholmer politischen Führung ein.

Am 30. November 1868, als August Blanche unterwegs zum Kungsträdgården war um an der Einweihung der Statue von Karl XII. teilzunehmen starb er plötzlich in der Apotheke Ugglan, wo er im letzten Moment noch Hilfe zu finden erhoffte. Posthum kamen noch mehrere Erzählungen Blanches auf den Markt, unter anderem die Novelle Järnbäraren.

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16 september 2012

Dan Andersson, zwischen Arbeitergedichten und Wildmark

Dan Andersson wurde am 6. April 1888 in Skattlösberg in Dalarna geboren und starb am 16. September 1920 in einem Hotelzimmer in Stockholm. Auch wenn Dan Andersson meist als Arbeiterdichter bezeichnet wird, so erstrecken sich seine Werke weit darüber hinaus. Hinzu kommt, dass Dan nicht nur Dichter war, sondern auch Prosa schrieb und einige seiner Werke selbst vertonte.

Der Vater Dan Anderssons, Adolf Andersson, war Grundschullehrer im Ort, wo auch Augusta Scherp, seine Mutter, arbeitete. Die väterliche Seite war aus Finnland in Dalarna eingewandert, die Mutter kam aus dem südlichen Belgien, was gleichzeitig bedeutete, dass die Familie zur ärmeren Schicht Schwedens gehörte und Dan Andersson daher früh ins Arbeitsleben einsteigen musste, was seinen Bildungswerk stark beeinflusste.



Seine Grundausbildung erhielt der Schriftsteller vom Vater, für die fortgesetzte Bildung zeigte sich der Künstler aus Autodidakt geeignet, denn ohne großartige Unterstützung lernte er bereits mit acht Jahren Englisch und Violine spielen. Mit 13 wurde er „Blåbandist“, was bedeutet, dass er sich der Bewegung der Antialkoholiker anschloss, die zu jener Zeit auch Volksbildung vermittelten.

Als Dan Andersson im Jahre 1902 gerade einmal 14 Jahre alt wurde, schickte ihn der Vater zu Verwandten nach Amerika um zu erkunden wie das Leben jenseits des Atlantiks war, in der Hoffnung, auswandern zu können und damit der Misere in Schweden zu entkommen. Die Nachrichten, die Dan aus Amerika schickte, zerstörten jedoch die Hoffnungen und am 16. Dezember 1902 war Dan Andersson wieder zurück in der Heimat.

Im Jahre 1905 gab der Vater seinen Beruf als Lehrer auf und zog mit der Familie nach Mårtenstorp um Holzkohle herzustellen. Auch wenn sich die ganze Familie dort mit Schwerstarbeit über dem Wasser halten konnte, so scheiterte das Unternehmen. Das Positive war jedoch, dass Dan Andersson zu dieser Zeit seine ersten Gedichte schrieb an die auch seine Gedichtsammlung Kolvaktarens visor erinnert, die 1915 erschienen.

Auch wenn sich Dan Andersson um diese Zeit bereits eine gewisse Bildung angeeignet hatte, so kam die bedeutendste Wende mit seinen Reisen durch Schweden in den Jahren 1912 und 1913, die er als Vertreter des Templerorden unternahm, denn bei diesem Auftrag war er auch mit der Volksbildung beauftragt. Die Erfahrungen, die Dan Andersson während dieser Zeit machten, waren entscheidend dafür, dass er sich ganz dem Schreiben widmen wollte, sowohl als Journalist, als auch als Autor.

In den Jahren 1914 und 1915 schrieb Dan Anderssson dann nicht nur mehrere Gedichte, die noch heute andere Künstler inspirieren und immer wieder erneut vertont werden, sondern er besuchte auch die Volkshochschule in Brunnsvik um seine Ausbildung zu vervollständigen.

Anschließend begann der Schriftsteller, neben der Arbeit an seinen eigenen Gedichten, Werke von Charles Baudelaire und Rudyard Kipling zu übersetzen. Diese extreme Leistung und sein Können verhalfen ihm 1917 zu einer Anstellung bei der sozialdemokratischen Zeitung Ny Tid in Göteborg, was ihm auch Zeit für weitere Übersetzungen ließ und zu seinen Werken Det kallas vidskepelse und Svarta ballader führte.

Dan Andersson arbeitete nur ein Jahr bei der Ny Tid, wobei sich in dieser Zeit auch seine Art des Schreibens veränderte, denn Dan griff nun immer mehr zu Visionen, zur Mystik und zur Metaphysik um seine Gedanken auszudrücken, die Figuren wurden Menschen, die mit der Existenz kämpfen müssen um in einer grausamen Welt überleben zu können. Es geht immer mehr darum, das Vergangene abzuschließen und ein neues Leben zu beginnen.

Am 19 Juni 1918 Juni heiratete Dan Andersson die Kindergärtnerin Olga Turesson, die Schwester des Troubadours Gunnar Turesson. In diesem Jahr erscheint auch sein Roman De tre hemlösa, eine Auseinandersetzung mit dem starken Glauben jener Zeit, der die freien Gedanken des Einzelnen verhinderte. Nach diesem Werk begann sich der Stil des Autors erneut zu ändern, nicht zuletzt auch durch den Einfluss von Vilhelm Ekelund, denn in den folgenden Gedichten Dan Anderssons wird die Sprache immer komprimierter und drückt nur noch das Wichtigste aus.

Als Dan Andersson am 16. September 1920 im Hotel Hellman in Stockholm übernachtete, weil er sich am kommenden Tag bei der Zeitung Social-Demokraten vorstellen wollte, war das Zimmer vorher mit Zyanid gegen Ungeziefer behandelt worden, jedoch mit einer so großen Menge, dass Dan Andersson in der Nacht davon vergiftet wurde und starb. Zwei Monate nach seinem Tod wurde sein Sohn geboren.

Dan Andersson gehört zu den schwedischen Schriftstellern, die der künstlerischen Welt bis heute ihren Stempel auftragen, denn zahlreiche Musiker interpretieren immer wieder aufs Neue seine Gedichte und in Ludvika gedenkt man des Autors durch eine jährliche Dan-Andersson-Festwoche, die jeweils in der ersten Woche im August organisiert wird.

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15 september 2012

Gunnar Ekelöf, der erste surrealistische Autor Schwedens

Gunnar Ekelöf wurde am 15. September 1907 in Stockholm geboren und starb am 16. März 1968 in Sigtuna. Ab 1958 war Ekelöf Mitglied der Svenska Alkademien, wo er nach Bertil Malmberg den Stuhl Nummer 18 einnahm.

Der Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Gunnar Ekelöf war Sohn des Börsenmaklers Gerard Ekelöf und Valborg Charlotta von Hedenberg und musste, trotz bürgerlichen Elternhauses, nach seinem Studium bald auf eigenen Beinen stehen, da die Familie während der ökonomischen Krise ab 1929 nahezu das gesamte Vermögen verlor.

Gunnar Ekelöf - Fyrsten af Emgion
Gunnar Ekelöf studierte in Uppsala und London orientalische Sprachen und in Paris zusätzlich Musik, wobei er bei seinen folgenden literarischen Werken vor allem durch seinen Aufenthalt in Paris beeinflusst wurde, wo zu jener Zeit der Surrealismus seinen Höhepunkt erreicht hatte und Ekelöf in vollen Zügen das bohemische Leben der Stadt genoss.

Die ersten literarischen Werke, die Gunnar Ekelöf veröffentlichte, fanden ab 1931 ihren Platz in den damals avantgardistischen schwedischen Zeitschriften Spektrum und Karavan, wobei Ekelöfs erster Gedichtband Sent på jorden im Jahre 1932 bei Spektrum erschien, da seine Art zu schreiben von etablierten Verlagen und Kritikern in keiner Weise anerkannt wurden. Erst viel  später wurde die Genialität dieser Werke von der literarischen Welt Schwedens erkannt.

Nur zwei Jahre später stellte Gunnar Ekelöf seine Anthologie Från Baudelaire till surrealism zusammen, die zwar kein großer Verkaufserfolg wurde, sich jedoch zur Bibel für alle modernen Schriftsteller des Landes entwickelte und die französischen modernen literarischen Strömungen nach Schweden brachte.

Aber auch wenn die surrealistische Bewegung sich dann in Schweden durchzusetzen begann, nahm Gunnar Ekelöf ab den 40er Jahren Abstand davon und versuchte, nach einer neuen Strömung aus Frankreich und Deutschland und seiner Neigung, die orientalische Philosophie in seine Werke einfließen zu lassen. Als er im Jahre 1941 dann den Gedichtband Färjesång bei Bonniers veröffentlichte, kam für den Autor der Durchbruch.

Ebenfalls in den 40er und 50er Jahren veröffentlichte Gunnar Ekelöf dann noch Werke wie Non Serviam und Strountes, bei denen er das schwedische Denken nicht nur relativierte, sondern vieles auch in Frage stellte. Der Höhepunkt dieser Phase kommt 1960 mit seinem Buch En Mölna-elegi, wo er bis an die Grenze der Sprache gerät und der Einfluss von Emanuel Swedenborg zu spüren ist.

Während der letzten literarischen Phase seines Lebens näherte sich Gunnar Ekelöf immer mehr dem Orient, was sich bei seiner Trilogie Diwan över fursten av Emghion, Sagan om Fatumeh und Vägvisare till underjorden sehr deutlich zeigt. Indem Ekelöf hier in der Vergangenheit schöpft, versucht er Orient und Okzident zu verbinden.

Selbst wenn sich unter Gunnar Ekelöfs rund 20 Werken auch Prosa befindet, so war der Autor immer ein Dichter auf der Suche nach einer übergreifenden Wahrheit. Mit diesem Bestreben wurde er einer der einflussreichsten schwedischen Poeten und gilt heute als moderner Klassiker, der den Weg in eine literarische Epoche Schwedens öffnete.

Copyright: Herbert Kårlin

14 september 2012

Sophia Elisabet Brenner, Frauenliteratur im 17. Jahrhundert

Sophia Elisabet Brenner, geborene Weber, wurde am 29. April 1659 in Stockholm geboren und starb dort am 14. September 1730 im Alter von 71 Jahren. Sophie Elisabet heiratete mit 21 Jahren den Künstler, Numismatiker und Archäologen Elias Brenner, dessen Namen sie 1984 annahm.

Da Sophia Elisabet Brenner deutscher Herkunft war, wurde sie in die deutsche Schule in Stockholm geschickt, wo sie, im Gegensatz zu schwedischen Schulen, gemischte Klassen besuchte. Sophia Elisabet zeigte sich so begabt, dass sie bereits dort sechs Sprachen so gut lernte, dass sie in jeder der Sprachen anfing Gedichte zu schreiben.

Abbildung: Svenska Familj-Journalen
Bereits im Elternhaus verkehrten einige der bekanntesten Künstler und Dichter jener Zeit, was sich nach der Ehe sogar noch verstärkte. Auch wenn Sophia Elisabet Brenner bereits seit ihrer Jugend Gedichte und Prosa schrieb, so kam der erste Band ihrer Gedichtsammlung Poetiska Dikter erstmals im Jahre 1709 auf den Markt.  In der Zwischenzeit trug die Dichterin ihre Werke fast ausschließlich in engerem Kreise vor, lediglich kürze Prosawerke wurden bereits vorher von Freunden publiziert. Durch die Gesellschaft, die in ihrem Haus verkehrte, hinderte dieser Mangel an Veröffentlichungen jedoch nicht daran, dass ihre Werke bereits in großen Teilen Europas bekannt und auf mündliche Weise weitergegeben wurden.

Sophia Elisabet Brenner kann für ihre Zeit als Revolutionärin betrachtet werden, als Feministin und Erneuerern der Literatur, was man beim Lesen ihrer Werke sehr schnell fühlt. In einem Gedicht, das sie der schwedischen Königin Ulrika Eleonora widmete, schreibt sie zum Beispiel, dass es, außer dem Körper, keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt. Diese Opposition gegen die vorgegebene Frauenrolle drückte Sophia Elisabeth auch in einem Prosawerk aus dem Jahre 1693 aus, denn in  Det Qwinliga Könetz rätmätige Förswar spricht die Autorin die Frauen Schwedens an und fordert sie auf ihre Rolle zu überdenken und nicht mehr den „vorgegebenen“ Wegen zu folgen.

In diesem Rahmen ist auch von Bedeutung, dass Sophia Elisabet Brenner ihre Werke in schwedischer Sprache schrieb, damit sie einer breiten Schicht zugänglich sei, und dies in einer Zeit als Latein als die literarische Sprache betrachtet wurde, das die Schriftstellerin ebenfalls beherrschte.

Auf Grund ihrer literarischen Leistungen und ihrem Bekanntenkreis war Sophia Elisabet Brenner die erste Frau Schwedens, der nach dem Tode ihres Mannes im Jahre 1717 die Autorenpension Schwedens zugeteilt wurde.

Sophia Elisabet Brenner, die bereits sehr früh als die Sappho Schwedens bezeichnet wurde, veröffentlichte noch im Jahre 1926 das Buch Wårs herres och frälsares Jesu Christi alldraheligaste pijnos historia, rijmvijs betrachtad, das allgemein als ihr Hauptwerk betrachtet wird und das vor allem wegen des gefühlsmäßigen Ausdrucks der Autorin herausragt. Mehre Werke der Dichterin und Schriftstellerin erschienen erst nach ihrem Tod, wobei eine Neuauflage ihrer Gedichte gegenwärtig geplant ist.

Copyright: Herbert Kårlin

13 september 2012

Gunder Andersson, ein linker Autor der Sport zu Literatur macht

Gunder Andersson wurde am 13. September 1943 im kleinen Dorf By im südöstlichen Dalarna geboren, einem Ort, der umgeben von einem Bergwerksgebiet ist, das jedoch den Ort nie berührte. In einem autobiographischen Beitrag in Dalkulan wundert sich der Autor, dass er keinerlei Erinnerungen und Bindungm mehr zu By hat ohne jedoch eine Antwort zu finden.

Neben seinen verschiedenen Tätigkeiten als Arbeiter besuchte Gunder Andersson das Abendgymnasium um anschließend die Revolte der 60er Jahre an der Universität zu erleben. Leider ist der Autor über diese Zeit und seinen konkreten Werdegang sehr verschwiegen, so dass seine Geschite eigentlich erst in den 70er Jahren beginnt.


Ende der 60er oder zu Beginn der 70er Jahre begann Gunder Andersson freiberuflich für mehrere Zeitungen zu schreiben, insbesondere über kulturelle Themen, auch wenn dabei immer eine gewisse Kritik zu finden war, weil sich Gunnar Andersson nicht der Norm der Zeit anpasste, sondern als Linker auch das linke elitäre Streben sowohl in Politik als auch dem kulturellen Leben kritisierte.

Als Gunder Andersson dann 1973 seine erste Novellensammlung Över skaklarna auf den Markt brachte, war deshalb auch die Kritik an der sozialdemokratischen Bewegung Schwedens im Vordergrund, denn im Laufe des Buches macht man eine Reise vom Volk zur Intelligenzia und entdeckt den Mangel an Kontakt mit den Arbeitern, der einsetzt sobald man eine bestimmt Stufe überschritten hat.

Die Bücher, die Gunder Andersson während der 70er Jahre veröffentlicht sind dann eine Mischung aus Roman, Sozialkritik und Humor, was dazu führt, dass sich Gunder der Schriftstellergruppe Fyrskrift anschließt, die zum Ziel hat die Arbeiterliteratur Schwedens zu modernisieren. In diesem Rahmen arbeitet er vor allem an den Anthologien Vägarbete von 1985 und Vägval von 1987 mit, ohne dass die Gruppe jedoch wirklich an Bedeutung gewinnt.

Parallel zu dieser Arbeiterliteratur beginn Gunder Andersson auch Gedicht über die Exklusion zu schreiben, schildert Menschen und Milieu aus Dalarna, bis er in den 90er Jahren einen völlig neuen Weg einschlägt, der ihm eine eigene Rolle innerhalb der schwedischen Literaturgeschichte gibt, denn der Autor beginnt Essais und Novellen zu schreiben in denen Sport das zentrale Thema ist, eine Entwicklung, die Gunder Andersson bis heute beibehält.

Zwei seiner Erzählungen aus den 90er Jahren wurden in Filme verwandelt. Nadja, der erste Film, handelt von einem 7-jährigen Mädchen, das am Meer in eine Schwimmschule geht, auch wenn sie überzeugt ist schwimmen zu können, denn sie hat die Technik im Trockenen gelernt. Als sie ihre Trockentechnik vor anderen vorführt, wird sie das Gespött der Gruppe.

Der zweite Film heißt Dubbel-8 und schildert die Träume von Jugendlichen, die auf dem Dorf aufwachsen und von ihren teils hochgesteckten Zielen träumen, Geschichte die sich noch heute in jedem schwedischen Dorf wiederholen.

Copyright: Herbert Kårlin