20 november 2012

Selma Lagerlöf, christliche Literatur und Frauenbewegung

Selma Lagerlöf wurde am 20. November 1858 auf Mårbacka in Östra Ämtervik, Värmland, als Tochter des Leutnants Gustaf Lagerlöf und seiner Frau Lovisa Wallroth geboren. Die Schriftstellerin starb am 16. März 1940 im Alter von 81 Jahren im gleichen Ort, auch wenn sie zwischenzeitlich viele Jahre in Falun lebte.

Bereits bei Geburt hatte Selma Lagerlöf einen Hüftschaden, der unter Umständen dazu führte, dass sie mit dreieinhalb Jahren vorübergehend auf beiden Beinen gelähmt war und sich nie so frei bewegen konnte wie andere Kinder. Wie um diese Zeit üblich im bürgerlichen Milieu, besuchte die Schriftstellerin keine öffentliche Schule, sondern hatte Privatlehrer, die nach Mårbacka kamen und Selma, außer dem üblichen Stoff, auch Englisch und Französisch beibrachten.


Nach eigenen Erzählungen wollte Selma Lagerlöf bereits mit sieben Jahren Schriftstellerin werden, auch wenn sie in dieser Zeit zwar viel las, aber von ihr selbst keine literarischen Anfangswerke vorhanden sind. Als Selmas Vater im Jahre 1868 schwer krank wurde, bat sie Gott ihm das Leben zu lassen und las zu diesem Zweck die gesamte Bibel, was später mehrere ihrer Werke stark beeinflusste. Der Vater wurde gesund und lebte weitere 17 Jahre.

Mit Zwölf begann Selma Lagerlöf ernsthaft Gedichte zu schreiben, wobei sie dabei zur klassischen Versform griff. Erst als ihre Wohltäterin Sophie Adlersparre sie dazu anregte in Prosa zu schreiben und die klassische Schreibart zu verlassen, begann sich Selma von der Lyrik zur Prosa zu bewegen.

Im Jahre 1882 entschied sich Selma Lagerlöf, entgegen der Meinung des Vaters, für ein Lehrerstudium in Stockholm, das sie drei Jahre später mit Erfolg beendete. In dieser Zeit ging es finanziell für die Familie Lagerlöf abwärts und das Gut Mårbacka musste verkauft werden. Selma Lagerlöf begann daher nach dem Studium in der Grundschule in Landskrona zu arbeiten, wo sie bis 1895 blieb.

Nachdem Selma Lagerlöf bei einem literarischen Preisausschreiben der Zeitschrift Idun gewonnen hatte, begann sie ernsthaft zu schreiben, was 1891 zur Veröffentlichung der Gösta Berlings saga führte, einer Beschreibung des Värmlands des 19. Jahrhunderts. Um genügend Zeit für das Buch zu finden, erhielt die Schriftstellerin ein Stipendium von Sophie Adlersparre. Das Buch wurde wegen seinem sachlichen Stil allerdings mit wenig Begeisterung von der Kritik aufgenommen, auch wenn es heute als Meisterwerk der Weltliteratur betrachtet wird.

Ab 1895 widmete sich Selma Lagerlöf ganz der Schriftstellerei und 1897 zog sie mit ihrer Tante Kajsa Lovisa Lagerlöf nach Falun um ihrer Schwester Gerda näher zu sein. In dieser Epoche begann die Schriftstellerin auch mehrere Reisen in Begleitung ihrer Freundin Sophie Elkan durch Europa zu machen, die sie 1900 selbst bis in den Mittleren Osten führten. Die Eindrücke, die Selma während der Reise sammelte, führten zu ihrem Roman Jerusalem.

Im Jahre 1906 wollte Selma Lagerlöf dann ein Geografiebuch über Schweden schreiben, das im Unterricht verwendet werden konnte. Leider vergass sie dabei die Region Halland, was dazu führte, dass Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige nur Belletristik wurde und nicht als Schulbuch anerkannt werden konnte. 

Nach mehrmaliger Nominierung erhielt Selma Lagerlöf im Jahre 1909 als erste Frau Schwedens den Nobelpreis der Literatur. Die Preissumme half ihr dann das geliebte Mårbacka wieder zu erwerben, ohne jedoch dort wieder permanent einzuziehen. 1914 wurde die Schriftstellerin dann auch auf den Stuhl Nummer Sieben der Svenska Akademien gewählt wo sie Albert Theodor Gellerstedt folgte. Auch hier war Selma Lagerlöf wieder die erste Frau, der diese Ehre zuteil wurde.

Selma Lagerlöf hatte jedoch nicht nur als Schriftstellerin eine große Bedeutung, sondern sie engagierte sich in der Lokalpolitik, setzte sich für das Wahlrecht der Frauen ein, war Mitgründerin der Volkspartei und half der Jüdin Nelly Sachs 1940 bei der Flucht nach Schweden. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg hatte sich Lagerlöf, obwohl sie eine Fürsprecherin der Rassenbiologie war, gegen die Judenverfolgung in Deutschland ausgesprochen, was ihre Bücher dort auf die Schwarze Liste brachte. Die Ursache für den Widerstand der Judenverfolgung ist allerdings in ihrem intimen Verhältnis zu Sophie Elkan zu suchen, die ebenfalls jüdischer Herkunft war.

Der sehr intime Briefwechsel Selma Lagerlöfs mit Sophie Elkan und Valborg Olander, die beide Frauenrechtlerinnen waren, zeigt ziemlich deutlich, dass Selma Lagerlöf lesbische Neigungen hatte, die jedoch nie an die Öffentlichkeit gerieten, was von der heutigen Warte aus sehr positiv zu betrachten ist, da Homosexualität in Schweden um diese Zeit noch eine Straftat war. Bei einem offenen oder auch indirekten Bekenntnis zur Homosexualität hätte Selma Lagerlöf weder den Nobelpreis erhalten, noch wäre sie in die Svenska Akademien aufgenommen worden, sondern ihr gesamtes Leben und Schaffen wäre dadurch in andere Bahnen geraten.

Selma Lagerlöf, die bereits zu Lebenszeiten weltberühmt geworden war, starb am 16. März 1940 an einer Lungenentzündung und einer Gehirnblutung, nachdem sie bereits eine Woche lang bewusstlos im Bett gelegen hatte. Nils Holgerssons Reise wurde mittlerweile in 60 Sprachen übersetzt und die Gösta Berlings saga in knapp 50 Sprachen.

Copyright: Herbert Kårlin

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