6 februari 2013

Rudolf Värnlund, der unverstandene Arbeiterliterat

Rudolf Värnlund wurde am 6. Februar 1900 in sehr einfachen Verhältnissen in Stockholm geboren und starb am 16. Februar 1945 im Alter von 45 Jahren in Österskär. Värnlund wuchs im Stockholmer Schule begann der Schriftsteller vor allem im kaufmännischen Bereich zu arbeiten, verdiente seinen Lebensunterhalt jedoch auch als Arbeiter, insbesondere als Drucker.

Rudolf Värnlund war sehr früh in der jungsozialistischen Vereinigung aktiv und lernte dort im Jahre 1919 den gleichaltrigen Arbeiterschriftsteller Eyvind Johnson kennen, was für seine zukünftige Entwicklung als Schriftsteller eine maßgebliche Bedeutung hatte, auch wenn Värnlund nicht die anarchistische Stellung Johnsons einnahm, sondern an den Weg des Sozialismus glaubte, der durch Übereinkommen und Verhandlungen möglich ist.


Das gemeinsame Interesse zwischen Rudolf Värnlund und Eyvind Johnson beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Ideen zur Arbeiterbewegung des Landes, sondern sie gingen auch literarisch parallele Wege, was sich daran ausdrückte, dass sie von Beginn an und bis zum Tode Värnlunds einen regen Briefwechsel unterhielten, der als eine Mischung zwischen Briefen und einem literarischen Werk betrachtet werden kann und in die Denkweise beider Autoren einführt.

Im Jahre 1920 gaben Adolf Värnlund, Eyvind Johnson und Ragnar Holmström die Literaturzeitschrift Vår nutid heraus, die allerdings nur kurze Zeit überlebte. Während der 20er Jahre hielt sich Värnlund längere Zeit in Berlin, Paris und Barcelona auf, einer Zeit, in der er nicht nur literarisch zu arbeiten begann, sondern sich auch einen Überblick über die sozialistische Bewegung in diesen Ländern machte.

Bei seinen Reisen machte Rudolf Värnlund auch Bekanntschaft mit der Psychologie, die ihn faszinierte und bis dahin in Schweden kaum bekannt war. Die neuen Ideen, die der Autor jedoch aus anderen Ländern mitbrachte, führten zu Spannungen im sozialistischen Ungdomsklubb, den er letztendlich wegen seinem modernen Denken verlassen musste, da man dort nach einem rein schwedischen Weg suchte. Dank seines Freundes Frithiof Björkman konnte Värnlund jedoch weiterhin für die Zeitung Studiekamraten arbeiten, in der er eine bedeutende Kulturarbeit leistete.

Bereits die Novellensammlung Döda människor, das erste von 24 Büchern, die Rudolf Värnlund innerhalb von 20 Jahren schrieb, zeigt die Stärke des Autors, da er als Arbeiterliterat nicht nur die Probleme der Arbeiter und des „kleinen“ Menschen einarbeitet, sondern versucht das psychologisch Zwangsverhalten der einzelnen handelnden Personen zu integrieren. Leider war Värnlund in diesem Punkt seiner Zeit voraus, denn für die Leser waren seine ersten Bücher, aber auch seine ersten Theaterstücke vollkommen unverständlich, da niemand daran gewöhnt war sich über den Inhalt und den Ablauf eines Buches wirklich Gedanken zu machen und das Kollektivverhalten innerhalb der verschiedenen Gruppen einer Gesellschaft zu verstehen.

Ein weiteres Problem dieser ersten Werke von Rudolf Värnlund war auch, dass der normale Arbeiter nur ein Minimum an Bildung besaß und daher nicht nachvollziehen konnte welche Rolle der Einzelne innerhalb einer kollektiven Gesellschaft, die bereits bei Familie oder dem Mietshaus beginnt, spielt. Die Tragweite zahlreicher Werke des Autors wurde daher erst nach seinem Tod wirklich verstanden, was auch dazu führte, dass mehrere seiner Bücher in den 80er Jahren neu aufgelegt wurden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt mehr als Kulturgeschichte betrachtet werden mussten und die Aktualität der 30er Jahre verloren hatten.

Außer seinen 24 Büchern unter denen man auch zwei autobiografische Werke findet, schrieb Rudolf Värnlund auch zahlreiche Theaterstücke und Hörspiele. Aber auch mit seinen Theaterstücken, die sehr deutlich die Probleme zwischen entscheidender politischer Gesellschaft und unterdrücktem Arbeiter zeigen, einer Dialektik, die den Autor permanent beschäftigte, hatte der Autor erst nach seinem Tode wirklich Erfolg, denn sie wurden vor allem in den 50er Jahren auf den nicht elitären Bühnen Schwedens gespielt.

Eine Ausnahme war gewissermaßen das Drama U 39 von Rudolf Värnlund, das als eines der ersten pazifistischen Theaterstücke Schwedens bezeichnet werden kann und den Frauenwiderstand gegen Krieg im allgemeinen schildert. Natürlich musste das Dramaten das Stück im Jahr 1939 ablehnen, aber Ingmar Bergman war so davon beeindruckt, dass er es 1943 als eine seiner ersten Realisationen im Dramaten präsentierte, noch während der Zweite Weltkrieg in Gang war. Durch den Erfolg des Stückes entstand 1952 auch der Film Ubåt 39, wobei der Manuskriptschreiber Värnlund und sein Drama leider nicht verstanden hat, auch wenn der Film einen gewissen Erfolg hatte.

Rudolf Värnlund kann als Autor auch als eine Art Visionär betrachtet werden, der gleichzeitig das Problem der heutigen Sozialdemokratischen Partei selbst erlebte. Värnlund erkannte das Problem, dass eine Parteiführung denken muss wie seine Wähler und nicht eine eigene „höhere“ Rolle spielen darf, die mit ihren Gedanken und Ausdrücken weit über den Arbeitern steht. Aber so wenig wie Värnlund diese Annäherung wirklich schaffte, so wenig können es die Sozialdemokraten, ein Problem, auf das Värnlund in den 30er Jahren bereits aufmerksam machte.


Copyright: Herbert Kårlin

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