10 mars 2013

Olof Lagercrantz, ein umstrittener Schriftsteller Schwedens

Olof Lagercrantz wurde am 10. März 1911 als Sohn des Bankdirektors Carl Fredrik Gustafsson Lagercrantz und dessen Frau, Gräfin Agnes Elvine Margareta Hamilton, in Stockholm geboren und starb am 23. Juli 2002 im Alter von 91 Jahren in Drottningholm bei Ekerö. Lagercrantz war mit Martina Ruin verheiratet, der Tochter des berühmten Essayisten Hans Ruin.

Auch wenn Lagercrantz in der wohlhabenden bürgerlichen Gesellschaft aufwuchs, der seine Kindheit und seine Jugend in Falköping verbrachte, so zeigte er bereits in seiner Jugend einen sehr starken und zeitweise aufbrausenden Charakter, der sich nahezu sein Leben lang gegen seinen Vater auflehnte, wenig Kritik akzeptierte und für die Werte der extrem linken Bewegungen eintrat.


Die Kindheit von Olof Lagercrantz wurde jedoch nicht nur von einem dominanten und strengen Vater geprägt und von seiner TBC, sondern auch von den regelmäßigen Depressionen seiner Mutter und später dem Selbstmord seiner Schwester, die mit 19 aus dem Fenster sprang und noch auf dem Sterbebett die Anwesenheit des Vaters ablehnte. Lagercrantz führte nahezu sein gesamtes Leben lang Tagebuch, das zwar seinen Lebensweg verfolgen lässt, jedoch relativ wenig Aufschluss über den Schriftsteller als Menschen bietet.

Seine literarische Karriere begann Olof Lagercrantz im Jahre 1935 mit der Gedichtsammlung Den döda fågeln, einer Sammlung von schwermütigen Naturgedichten, die mehr über seine bürgerliche Herkunft aussagen als seine spätere literarische Größe, da der Autor erst später einen eigenen Weg innerhalb der schwedischen Lyrik fand. Die Reife eines Poeten entdeckt man erstmals im Jahre 1943 mit Dikter från mossen, der dritten veröffentlichten Gedichtsammlung des Autors. Die Stärke dieser Gedichte beruht in weitem Sinne darin, dass er hier seine eigenen Erfahrungen und seine persönliche Entwicklung verarbeitet, ein Zug, den man auch im einzigen Roman des Autors findet, denn in Trudi entdeckt man sehr viele Züge aus der Vergangenheit von Lagercrantz, die sowohl an die Mutter als auch die Schwester erinnern.

Die Abkehr von der bürgerlichen Gesellschaft spürt man bei Olof Lagercratz sehr deutlich ab dem finnischen Winterkrieg im Jahre 1939, als er am Aufruf Finlands sak är vår mitarbeitete und zur Gruppe jener Personen gehörten, die forderten, dass Schweden auf der Seite Finnlands gegen Russland ziehen muss. Auch wenn der Autor hier Propaganda schrieb und keine Literatur, so wurde er jedoch damit in ganz Schweden bekannt.

Mit zwei Gedichtbänden, dem Roman Trudi und der Karlfeldtstudie Jungfrun och demonerna als Gepäck gelang es Olof Lagercrantz in den Folgejahren als freier Kulturkritiker Zugang zu Zeitungen wie Svenska Dagbladet oder Nya Dagligt Allehanda und zur Zeitschift Bonniers Litterära Magasin zu finden, was in sich einen bedeutenden Widerspruch im Charakter von Lagercrantz zeigt, denn während er sich zur Arbeiterliteratur hingezogen fühlt und sich gegen die Bourgeoisie auflehnt, schreibt er für konservative Zeitungen und vertritt eine extrem konservative Stellung zur Literatur Schwedens.

Im Jahr 1951 steht Olof Lagercrantz an einer bedeutenden Wende seiner Karriere, denn zum einen wird der Autor Kulturredakteur der Tageszeitung Dagens Nyheter und zum anderen legt er seine Biografie über Agnes von Krusenstjerna als Doktorarbeit vor und beginnt damit eine Karriere als Autor von Biografien.

Als Kulturredakteur bei der damals größten Tageszeitung Schwedens gewinnt Olof Lagercranz einen Einfluss über das literarische Geschehen in Schweden, das das gesamte kulturelle Bild Schwedens bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1975 steuern sollte, denn Lagercranz hat kein Mitgefühl für Autoren und er akzeptierte keine andere Linie als seine eigene. Da er zudem eine Vorliebe dafür hat Bücher von Autoren zu besprechen, die er persönlich kennt, zerstört er nicht nur einige seiner Freundschaften dauerhaft, sondern macht sich auch die Hälfte der literarischen Welt zum Feind. Die Rezensionen des Schriftstellers zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass er nicht am Thema Halt macht, sondern persönliche Meinungen einfließen lässt um den Besprechungen Stärke zu verleihen, was ihm nicht nur viele Autoren negativ auslegen.

Seine Arbeit als Biograf begann für Olof Lagercrantz mit einem Buch über Agnes von Krusenstjerna, einem Werk, das vollkommen aus persönlicher Sicht geschrieben wurde und nicht nur auf ihre hinterlassenen Schriften aufbaut, sondern vor allem auf seine persönliche Bekanntschaft mit der Schriftstellerin und Erinnerungen des gemeinsamen Familienkreises. Das Buch ist daher gefärbt von eigenen Eindrücken, was dazu führte, dass die Meinung über die Qualität dieses Buches bis heute gespalten ist.

Auch seine späteren Monografien über Stig Dagerman, Gunnar Ekelöf, Joseph Conrad und vor allem August Strindberg kann man nicht tatsächlich als Darstellung der Autoren bezeichnen, denn Olof Lagercrantz versucht die besprochenen Personen zu analysieren, gibt ihnen Charakterzüge, die er selbst in ihnen sehen will, vermittelt eine Atmosphäre, die nur in ihm selbst gewachsen ist. In gewisser Weise erfindet Lagercrantz dabei die Roman-Biografie, die man min gewissem Vorbehalt lesen muss, denn man steigt vor allem in die Welt von Lagercrantz ein und nicht immer in jene des behandelten Autors.

In seiner Rolle als Chefredakteur der Dagens Nyheter war Olof Lagercrantz jedoch nicht nur in der Welt der schwedischen Literatur eine gefürchtete Person, sondern er arbeitete auch an einer Änderung der gesamten Gesellschaft und öffnete daher neue Blickwinkel, die ihm jedoch erneut mehr Feinde als Freunde machte. Als er offen für die Sexualität eintrat, erklärte ihn Sara Lidman als den Bahnbrecher der Pornografie in Schweden und als er sein Unverständnis gegen den Kampf gegen den Kommunismus in Südvietnam ausdrückte und Amerika für sein Eingreifen kritisierte, wurde er ein Symbol der kommunistischen Bewegung und ein Feind der schwedischen Regierung, die seit Jahren einen Hass gegen die Sowjetunion aufgebaut hatte.

Olof Lagercrantz war eine Person, die bewusst Konflikte provozierte, nicht zuletzt dadurch, das er Personen wie Astrid Lindgren, Dag Hammarskjöld oder den vorherigen Chefredakteur der Dagens Nyheter, Herbert Tingsten, persönlich angriff, aber auch dadurch, dass er sich negativ zur Svenska Akademien, dem Königshaus und der Svenska Kyrkan aussprach. Für Lagercrantz gab es nur eine einzige Wahrheit, nämlich seine persönliche.

Copyright: Herbert Kårlin

Inga kommentarer:

Skicka en kommentar